Insolvenz


Es traf mich völlig unerwartet. Auf dem Weg in den Urlaub erhalte Ich eine Nachricht von einem guten Freund: «Was ist nun mit deiner Radiosendung?». Das war Anfang März 2019. Ich dachte nur – was soll mit Six String sein? Was habe Ich verpasst?


Lizenzentzug

Eifrig zücke Ich mein Handy, blende für einen kurzen Moment aus, dass Ich in einem Reisebus sitze und gebe die üblichen Stichworte in eine Suchmaschine ein. Schnell werde Ich fündig: Radio Leinehertz droht der Lizenzentzug und soll noch vor der Ausstrahlung meiner vierten Sendung vom Netz genommen werden. Es traf mich wie ein Schlag. Dabei hatte ich endlich wieder Gäste zu Besuch und zudem eine richtig gute Sendung vorbereitet. Ja… und nun saß Ich da – mit einer gehörigen Prise Unverständnis im Gepäck und auf dem Weg in den Urlaub.

Gleich vorweg: Der Urlaub war trotzdem klasse. Außerdem stiegen mit jedem Tag ohne klare Ergebnisse die Hoffnungen, dass meine letzte Radiosendung vielleicht doch noch stattfinden könnte. Schließlich fand Ich folgende offizielle Stellungsnahme vom 21.03.2019:

«Die 106,5 Rundfunkgesellschaft gGmbH hat, nach dem sie vor anderthalb Jahren Missstände in der Geschäftsführung festgestellt hat, mit großen Anstrengungen und mit mehreren Veränderungen in der Geschäftsführung die Missstände aufgearbeitet. […]»

«Im gesamten Zeitraum der begonnenen Konsolidierung wurde ein – auch von anderen unbestritten – qualitativ hochwertiges Programm ausgestrahlt, in dem auch gesellschaftliche Gruppen regelmäßig zu Wort kamen, die bei anderen Medienanbietern keine feste Sendeplätze bekommen. […]»

«Damit bleibt der 106,5 Rundfunkgesellschaft gGmbH kein anderer Weg als Insolvenz anzumelden. Dies gerade auch, nachdem einzelne Gesellschafter noch zu Beginn der Woche angeboten hatten, mit finanziellen Mitteln die Umstrukturierung in der gGmbH und im Sender zu stützen.»


Schneller Abschied

Six String während der Arbeit für eine Radiosendung

Plötzlich ging alles ganz schnell. Nach einigen Tagen der absoluten Ungewissheit stand irgendwann fest, dass der Sender früher oder später nicht mehr die Auflagen für die Lizenz erfüllen konnte – zumindest nach den Ansichten der Niedersächsischen Landesmedienanstalt. Man habe es sich «nicht leicht gemacht», aber am Ende blieb der Entschluss final. Diese absurde Entschuldigung spendete vermutlich allen Beteiligten nur wenig Trost.

Letztendlich verstummte die Frequenz 106.5 in der Nacht zum 1. Mai. Es fühlte sich ein bisschen so an, wie im großartigen Film «Radio Rock Revolution». Einem kleinen englischen «Piraten» Sender soll in den 60er Jahren die Frequenz abgedreht werden, weil die von der Regierung verbotene Rock-Musik rauf und runter gespielt wurde. Gut – Ich gebe zu – Radio Leinehertz hatte relativ wenig mit «Piraten» zu tun und auch die Umstände waren ein wenig anders – doch am Ende fühlte ich mich wie Silent Bob, der schweren Herzens seine Schallplatten auf dem sinkenden Schiff lassen musste.

Kleiner Trost: Da sich die Verhandlungen um den Lizenzentzug noch etwas in die Länge zogen, konnte Ich meine letzte Radiosendung am 12.04.2019 unerwartet doch noch senden. Mit aller Kraft wurden die letzten Reserven im Studio gezogen – stellenweise hatte das ein oder andere Studio schon gar keine Tür mehr – und es gelang dem Sender den Sendebetrieb bis zum 01.05 irgendwie noch aufrecht zu halten.

Allen war klar

Es ist zu Ende.

Am Ende waren all die Bemühungen zahlreicher ehrenamtlicher Menschen aber umsonst – auf die Sekunde genau, exakt zu Mitternacht, wich der musikalische Abschieds-Blues des Senders einer Störlinie.


Und nun?

Gerade als das Radiodasein begonnen hatte Spaß zu machen, war schlagartig Schluss. Noch bis heute sind mir die genauen Umstände des Lizenzentzugs nur bedingt bekannt und noch immer juckt die zurückgebliebene Narbe jeden 2. Freitag im Monat. Diesen Schock musste Six String erstmal verarbeiten.

Im Idealfall möchte man seinen Abschied von der Radiobühne selbst bestimmen und nicht von oben herab verordnet kriegen. Viele Ideen standen in den Startlöchern, die ohne Sendeplatz nicht mehr realisierbar waren.

«Weisst du was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenns so richtig scheisse ist, dann ist wenigstens noch die Musik da.

Und an der Stelle wo, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.»

Eines der spannendsten Radio-Formate in der Region Hannover kam zu einem traurigen Ende: Das Bürgerradio war abgeschaltet. Mir kommt ein Zitat aus dem Film «Absolute Giganten» ins Gedächtnis:

Doch genug mit all der Traurigkeit: Mit dem Ende von Radio Leinehertz sollte nicht auch die Ideee hinter Six String verloren gehen. Die Platte war zwar gesprungen, aber der Schallplattenspieler läuft noch rund. Also traf ich bereits früh den Entschluss, auf einer eigenen Webseite mein eigenes kleines Radioprogramm auf die Beine zu stellen. Etwa ein Jahr später ist es nun soweit – Radio Six String ist online und wartet nur darauf, dass der Sender mit Leben gefüllt wird.


Was gibt es Neues?

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